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Dokument Nr. 9:

Artikel 75bis Absatz 3 des schweizerischen Strafgesetzbuchs betreffend die Unverjährbarkeit von Verbrechen gegen die Menschlichkeit
(in Kraft seit dem 1. Januar 1983)

Art. 75bis

3. Unverjährbarkeit

1
Keine Verjährung tritt ein für Verbrechen, die
1. auf die Ausrottung oder Unterdrückung einer Bevölkerungsgruppe aus Gründen ihrer Staatsangehörigkeit, Rasse, Religion oder ihrer ethnischen, sozialen oder politischen Zugehörigkeit gerichtet waren oder
2. in den Genfer Übereinkommen vom 12. August 1949 und den andern von der Schweiz ratifizierten internationalen Vereinbarungen über den Schutz der Kriegsopfer als schwer bezeichnet werden, sofern die Tat nach Art ihrer Begehung besonders schwer war oder
3. als Mittel zu Erpressung oder Nötigung Leib und Leben von Menschen in Gefahr brachten oder zu bringen drohten, namentlich unter Verwendung von Massenvernichtungsmitteln, Auslösen von Katastrophen oder in Verbindung mit Geiselnahmen.

2
Wäre die Strafverfolgung bei Anwendung der Artikel 70 und 71 verjährt, so kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern.

Kommentar:
Eingefügt durch Art. 109 Abs. 2 Bst. a des Rechtshilfegesetzes, in Kraft seit 1. Jan. 1983 (SR 351.1). Artikel 75bis soll nur gelten, wenn die Strafverfolgung oder die Strafe nach bisherigem Schweizer Recht am 1. Jan. 1983 noch nicht verjährt war. Er soll also gerade die Unverjährbarkeit zurückliegender Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Verstösse gegen die UNO-Genozidkonvention ausschliessen. Der Stichtag des schweiz-spezifischen Verjährungsdatums von anderweitig und späterhin unverjährbaren Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Völkermord wurde mit der Einführung eines expliziten Völkermord-Artikels (Art.264) ins schweizerische Strafgesetzbuch am 15. Dezember 2000 nochmals aufdatiert, nämlich auf eben diesen 15. Dezember 2000. Das Rückwirkungsverbot in diesem Paragraphen soll bewirken, dass Art. 264 StGB auf Tatbestände, die vor dem 15. Dezember 2000 begangen wurden, nicht angewendet werden soll. Wie schon bei der Einführung des Verjährungsverbots für Verbrechen gegen die Menschlichkeit (mit Art.75bis) haben die Schweizer Gesetzgeber mit diesen nationalen Verjährungsklauseln für nach universellen Rechtsprinzipien unverjährbare Verbrechen Versuche weiter erschwert, die Verantwortlichen der objektiven und subjektiven Tatbestände des Völkermords gegenüber der Gruppe der Schweizer Jenischen gemäss diesen Bestimmungen ins Recht zu fassen. Das ist bislang denn in der Schweiz auch nicht geschehen, und es fehlen auch richterliche Entscheide anderweitiger oder internationaler Tribunale betreffend diese Tatbestände und deren rückwirkende Ausschliessung von juristischer Beurteilung durch solche Klauseln. Alle Verfahren betreffend Völkermord, die bislang in der Schweiz eingeleitet wurden, betrafen Taten und Täter des Auslands, die allerdings teilweise in der Schweiz lebten.
Vgl. zur Unverjährbarkeit verschiedener Tatbestände, insbesondere auch des Völkermords an den Jenischen in der Schweiz, das Buch der Juristin Nadja Capus: Ewig still steht die Vergangenheit? Der unvergängliche Strafverfolgungsanspruch nach schweizerischem Recht. Bern 2006.