Dokument Nr. 47:
Erlass des Kurfürsten Maximilian II. Emanuel von Bayern vom 4. Juni 1682 gegen "umbvagierendes schlimmes Gesindl" sowie andere Missliebige unter Hinweis auf die Modalitäten von deren Bestrafung, insbesondere die Überführung in das im selben Jahr errichtete Münchner Zuchthaus. Hier das Original, weiter unten die Transkription des Dekrets. Decretum Serenissimi Domini Ducis Electoris Nachdem Ihrer Churfürst. Durchl. in Bayrn sc. Unserm gnädigsten Churfürsten und Herrn / underthänigist vorgetragen worden / wasmassen hievor diesem öffters wegen des hailloss: umbvagirenden schlimmen Gesindls / Stationirer / Steig- und anderer inn- und aussländischer Bettler / gartender Soldaten / fahrender Schueller / und was sich sonsten zu dergleichen Landfahrer / und schwärlichen Gart-Brüdern zu schlagen pflegt / vor ernstliche Landesfürstliche Gebott und Verbott ergangen / und ob zwar auf eine Zeit selbige gefruchtet / und darauf gehalten worden. So seye jedoch dises Werck auss Fahrlässigkeit thails Churfürstl. Bemambten / Hofmarcks-Innhabern / wie auch der Burgerlichen Obrigkeiten / ihrer underhabenden Ambtleuthen und Schörgen /wiederumben in einen solchen Stand gerathen / dass es anjetzt fast schlimmer / als es je zuvor gewesen / in dem sich abermahlen die aussländische Bettler / Stationirer / und anders obgemeldt umbvagierendes Gesindl mit Weib und Kind hauffen weiss in die Chur-Bayrische Lande herein schleichen und begeben / wie auch im Land selbsten sich etliche auf dem Müssiggang und Betl / ja vorsetzlicher weiss gantz auf die faule Seyten legen / welche denen Underthanen und andern Innwohnern dieser Landen / ein gantze Zeit nit ohne sondere Beschwer / vor der Thür; und auf dem Halss ligen / von solchen / alles / gleichsamb mit gwalt / und sträfflichen Trohwohrten erzwingen und erpressen / selbigen / und den übrigen Bedürfftigen; auch Haussarmen im Land / als dess Allmosen mehr würdigern /das liebe Brodt auss dem Mund entziehen / allerhand Ungelegenheiten / und auss dem Müssiggang entstehende Unheyl und Ubel verursachen. Damit nun disem allem mit besserm Nachtruck / als biss dahero geschehen / abgeholffen / auch anders hailloses Gesindl vertriben ; die übermüthige Herrndiener / stitzige und schlimme Ehe halten / und haillose Dienstbotten / die liederliche und insolente Handwerckspursch / die keinnutzige Lehrjungen / und sträffliche Schnellerbueben in besserm Zaum / Gehorsamb / und Respect gegen ihren respective Herrschafften / Maistern und Praeceptorn gehalten. Die ungerathne Kinder gegen ihren Eltern und Gerhaben zu mehrerm Gehorsamb gebracht / freche und leichtfertige Menscher / faule / und wol in der nöthigsten Arbeit auss den Diensten stehende Ehe halten / Baurenknecht / und Mägd / schlimme und langsame Zimmerknecht und Maurergesellen / welche zu Nachts mehrer haimb- und dem Bawherrn abtragen / als selbige etwan den ganzen Tag hindurch mit ihrer Handarbeit verdient haben / faule Handlanger und Tagwercker / so lieber feyren / als um einen rechten Lohn arbeiten; in Summ ein jeder / der sonst nit gut thun / oder sich auff den Betl und Müssiggang legen will / zur Buss / Arbeit und zu besserem Leben gebracht / oder an ein solches Orth gesetzt werde / wo er niemand mehr beschweren, noch andere verführen kann. Also synd höchsternandt Ihre Churfürstl. Durchl. dahin bemüssiget worden / hierzu ein aignes Zuchthauss in dero Haupt- und Residentz-Statt München / dem gantzen Land zu gutem auffrichten zu lassen /mit welchem man auch schon so weit kommen ist / dass allbereit ein guter thail solcher schlimmer Leuth Manns und Weibs Persohnen underzubringen / wie sich dann darin verschaidne Persohnen befinden / wlche nach ihrem Verschulden in Eysen und Banden / bey geringer Atztung und schlechtem Lebens Underhalt / mit harter Arbeit / Carwätsch- und Ruthen-Züchtigung / oder in andere Weeg wol empfindlich abgestrafft und mortificiert werden. Auf dass aber hievon vorhero jederman wissenschaft hab / die frembde ihren Weeg weiter suchen / und sich ausser Land begeben / hingegen aber die arme Presthaffte im Land / so keiner Arbeit mehr vorzustehen vermögen nach innhalt voriger Generalien / sich bey ihren Obrigkeiten angeben / und verpflegt werden können / und sich die übrige / als unconditionierte Herrndiener / Handwerckspursch / und andere Dienstbotten / sich noch zeitlich umb Dienst und Arbeit bewerben mögen. So ist dises neben der in dem Zuchthauss gemachter Anstalt / und dass nach verfliessung 8. Tagdie Execution und vollziehung dieser Verordnung unmittelbar anfangen solle / vor den Kirchen; und sonsten offentlich zu verruffen; auch nachdem jedem Verruff etliche dergleichen Exemplaria dem herumstehenden Volck ausszuthailen / und gehöriger Orthen offentlcih zu affigieren / so dann auf vorgedachte schlimme Leuth ohne vornemung einiger vorhin fruchtloss vorbeygangnen kostbaren Special-Straiffen (weilen dises Gesindl in Stätt / Märckt / Hofmarcken / Dörffern und allenthaben nach genügen anzutreffen / und selbige denen Beambten / Dorffsführern / Ambtleuthen und jederman hauffenweiss mit Suchung ihres Underhalts selbst in die Hand gehen) in allen Gerichtern / Stätt / Märckt / und Dörffern / sonderbahr auch in den Hofmarcken / und allenthalben fleissige spech und obacht zu haben / diejenig so man antrifft / gleich handvest zu machen / und von einem Orth zum andern / biss gar ins Zuchthauss nacher München verwahrlich in Eisen und Banden zu überbringen / allwo sie alsdann gerechtfertiget - und was darauff gehört / verordnet werden solle / allermassen einem jeden Haussvattern / Burgers- und Bawrsmann hiemit / und in Kraft dises zugelassen seyn solle / sich bey dem Zuchthauss-Directorio anzumelden / unn ihre ungehorsame Kinder / insolente Diener / haillose Knecht / Mägd / und Diernen / liederliche unn trutzige Handwercksgesellen / unnütze Lehrjungen / und sträfliche Schnellerbueben / in ersagtes Zuchthaus zu thun / und nach ermässigung der Directorn / allda wol empfindlich corrigiren / und straffen zu lassen / so gehören auch hierzu diejenige / welche wider Geistlich und Weltliche allerhand Lugen auffbringen / wider diese hailsame Verordnung und diejenige / welche damit zu thun haben / schmählen und in Summe einer jeder der nit thut/ was sich gebührt. Darbey dann vor allem die Gränitz / wo die Frembde ins Land herin kommen / neben allen und jeden Orthen / wo sie zugetroffen / und man sie gehen lassen / erkundiget / alsdann denen Churfürstl. Beambten / Hofmarcks Innhabern / auch Stätt und Märckten gleich in continenti eine Geltstraff / welche sie bey denen / so schuldig / wider einbringe mögen / dictiert; selbige auch durch aigne Botten auff ihren Kosten eingefordert; und zum Zuchthauss appliciert werden solle. Und zumahlen dann auch wider thails Geist- und Weltliche Hofmarcks-Innhaber bisshero vorkommen / dass sie den Churfürstl. Landgerichts-Beambten in Auffangung solchen Gesindls gar schlecht an die Hand gegegangen / je in Nachsätz- und Verfolgung derselben underschidliche Hinderung gemacht / auch sie Beambte in die Hofmarcken und deren ainschichtige Güter nit eingelassen werden wollen. Da sie doch von selbsten dergleichen schlimme Leut keinesweegs abgschafft / sondern vilmehr auss unzimblicher Forcht den Underschlaiff wissentlich verstattet. Als ist mehr höchstgedacht Ihrer Churfürstl. Durchl. gleichmässig ernstlichen Verordnung und Befelch / dass weder die Geist- oder Weltliche Hofmarcks Innhaber / noch auch die Churfürstliche Beambte selbst / da sie in Verfolg- und Nachsetzung deren begriffen / und in solchem fahl das Landgericht / oder entgegen die Hofmarcken betretten werden müssen / einander in solcher Nachsetzung den geringsten Einhalt erweisen / jedoch aber nit allein vor abführung der Gefangnen die gebührende Nachricht erthailen / sondern auch angeregt Churfürstl. Beambte mit den Hofmarcks-Innhabern / oder deren Richtern / wegen vornemmung dieser anbefohlnen Execution von Zeit zu Zeit / correspondiern sollen; darbey dann auch mehrgemeldten Churfürstl. Beambten gegen denjenigen Hofmarcks-Innhabern / welch in exequirung solcher Generalien sich nachlässig bezaigen / und der erweisslich beschehenen Gerichts Erinderung ungehindert / solchem schlimmen Gesind die Auffenthaltung verstatten / dieser Gwalt eingeraumbt seyn solle / dergleichen saumseeligen Hofmarcks-Innhabern von Landgerichts wegen vorzugreiffen / und zugleich gehorsambist zu berichten / damit gegen denselben die weitere verdiente remonstration vorgenommen werden könne. Jedoch / weilen mit Auffangung allerley Gesinds ein Underschid zu machen / so sollen / sowol die Churfürstl. Beambte / als auch Hofmarcks-Innhaber / Stätt / und Märckt derentwegen auff die vorige Mandata gewisen - insonderh aber ihnen anbefohlen seyn / dass er erstlich mit der ledigen Handwerkspursch / so in Nachziehung ihres Handwercks / zu bettlen / oder wie mans ins gemain nennet / zu fechten pflegen / eine Discretion gebraucht - und gegen solches nichts vorgenommen werde / ausser da sich einer oder der nder in denen Churbayrischen Landen ohne Noth auffhalten - von den ordentlichen Straffen begeben - und auff den Müssiggang legen / oder ungehindert der Abschaffung / in Stätt / Märckt / Schlössern / Clöster und Dörffern von Hauss zu Hauss bettlen / oder wol falscher weiss sich für einen Handwerkskunden aussgeben wollte / der oder dieselbe sollen alsogleich angehalten - und von Gericht zu Gericht in das Zuchthaus geliffert werden. Solche Mainung hat es auch fürs ander mit denjenigen frembden Bettlern / welche sich für Vertribne aussgeben / denen dann / so es glaubwürdig bescheinen / ist das Durchraisen - und darunder erfolgendes Allmosen einsamblen zwar nicht zu verwöhren / auber auch zu Beschwerdt der Landsunderthanen die länger aufenthaltung und unnöthiges Umbschwaiffen auf dem Land nit zu gestatten. Betreffend aber die müheseelig aussländische Personen / seynd selbige von Gericht zu Gericht ausser Lands auff die Gränitz in ihr Vatterland hinausszuweisen / allermassen forder ist die Gränitz-Beambte solche Bestellung zu machen / dass man dess nit herein lauffens versichert seye / zu dem Ende dann / insonderheit bey ermeldten Gränitzen / und den Uberführern / bessere und ernstliche Verordnung zu verfügen / und die unpasierliche Uberfuhren gar abzustellen / bey denen zuelässigen aber / von dergleichen Landfahrer Gesind niemand überzuführen - und gegen dergleichen Uberführern mit exemplarischer auch nach Gestalt der Sach mit Spott- und Schandstraff / gleich auf frischer That unmittelbar zu verfahren. Dahingegen ist ebenfahls darob zu seyn / dass die Bedürfftige - in jeder Iurisdiction sesshafte arme Leuth in denen Churfürstl. Gerichten und Hofmarcken / dann Stätt und Märckt / denen Mandatis gemäss / gebührend underhalten - und ihnen der Ausslauff in andere Gerichter und Hofmarcken sc. nit verstattet werde / sonderbar aber ist auff die verordnete Anhengung der Zaichen / so man bisshero sträfflicher Weiss ausser acht gelassen / hinfüro fleissig und ernstlich zu halten. Und damit die Ambtleuth umb so viel eyffriger in Annemmung dergleichen Leuth seyen / solle ihnen das gewöhnliche Schliessgeld passiert; wann sie aber ihre Schuldigkeit underlassen thäten / gleich mit harter Bestraffung / oder gar der Dienst-Entsetzung gegen ihnen verfahren werden/ dahingegen hat man ihnen in allen Dorfschafften beyzuspringen / die ankommende Bettler und Vaganten anzuzaigen / auch / wann dess schlimmen Gesindls vil / oder der Amptmann nit bey der Stell / sturmb zu schlagen / und sich dessen auf alle Weiss zu versichern / es wird auch jenigen Persohnen / welche solche schlimme verdächtige Leuth und Lanstörzer anzaigen / oder selbst einbringen / nach gestaltsame der Umbständ / ein ehrlicher Recompens erthailt werden. Allermassen dann nit weniger die Churfürstl. Bemabte quartaliter eine ordentliche Specification neben ihren aussführlichen Berichten zu verfassen / und zu dem Churfürstl. Hofrath einzuschicken haben / was jeder in unserm ihme gnädigist anvertrawte Gerichtsdistrict / von dergleichen schlimmen und müssiggehenden Gesindl / und wivil betretten / und gehörigen Orths verschickt hat / auch allberait auss den Churbayrischen Landen / oder in andere Gerichter / wohin sie gehören / führen lassen / oder was jeder sonst hierinfahls in einem und andern disem höchstermelt Sr. Churfürstl. Durchl. ernstlichen Befelch gemäss verfüget und vorgenommen habe. Und gleich wie sich mehrhöchstgedacht Ihre Churfl. Durchl. nun gegen dero Beambte und sonst gnädigist versehen / sie werden ihnen diese dero so ernstliche Anbefehlung nunmehr mit aller Punctualität und pflichtschuldigstem Fleiss zu exequiren obgelegen sein lassen / also bleibt ihnen auch unverhalten / dass sie ihnen in Underlassung dessen nit allein ein exemplarische Bestraffung; sondern auch die die unfehlbare Amotion auff sich laden; und zugewarten haben wurden / massen man unvorsehner Dingen im Jahr etlichemal eine Straiff vornehmen; und wo die Schuldigkeit nit erzaigt; sondern disem Verbott zuwider jemand erdapt wurde / die fahrlässige / neben aufftragung dess Straiff-Kostens also punctiren lassen wird / dass sich andere daran billich daran zu spieglen haben sollen. Warnach sich nun jeder zu richten waiss. Signatum München den 4. Junii 1682 Kurfürst Max Emanuel von Bayern 1662-1726 Kommentar: | 1682, zeitgleich zu diesem Erlass, war das Münchner "Zucht- und Arbeitshaus" am heutigen Viktualienmarkt am Anfang der Frauenstrasse eröffnet worden. Das Dekret verschärft alle bisherigen Bestimmungen sowohl gegen Fremde wie auch gegen die eigenen Untertanen, ja sogar gegeg unbotmässige Beamte, und zählt die Verhaltensweisen verschiedener Bevölkerungsklassen auf, welche diese in das neue Zuchthaus bringen konnten, ihre Ausschaffung oder Absetzung veranlassen konnte. Während solche Mandate im allgemeinen eine Hauptstossrichtung gegen das "fremde Gesindel" hatten und selten auch die ansässigen Untertanen oder gar, wie in diesem Erlass, die "dero Beambten" selbst ins Visier nahm, ist dies in diesem Dekret der Fall. Auffällig ist auch, dass hinsichtlich dem "vagierenden schlimmen Gesindl" die in ähnlichen Mandaten oft anzutreffende ausdrückliche spezifische Aufmerksamkeit samt entsprechenden Verfahren gegen Juden und "Zigeuner" fehlen, wobei diese Gruppen allerdings auch gemäss diesem Erlass ausgewiesen und bestraft werden konnten. Dafür ist unter den "Landfahrern" und "Landstörzer" ausdrücklich die "gartenden", d.h. ohne Kriegsaufgebot marodierende und plündernde Soldaten erwähnt. Ausdrücklich wird dem einzelnen "Haussvater" das Recht gewährte, allenfalls seine eigenen Kinder wegen "Ungehorsam" ins Zucht- und Arbeitshaus einzuliefern, ebenso wie "insolente Diener / haillose Knecht / Mägd / und Diernen / liederliche unn trutzige Handwercksgesellen" sowie "unnütze Lehrjungen". Aus dem Edikt geht auch hervor, dass im Münchner Zucht- und Arbeitshaus die Insassen neben der Zwangsarbeit mittels Körperstrafen, nämlich "Carwätsch- und Ruthen-Züchtigung", sowie durch speziell harte Arbeit "bey geringer Atztung und schlechtem Lebens Underhalt" "mortificiert" wurden. Besonders Widersetzliche kamen "in Eysen und Banden". Das Edikt ist ein Dokument des Absolutismus g. Dieses auf Krieg und Klassenkampf vpm oben ausgerichtete Regime führte zur Verelendung breiter Teile der Unterschichten bei gleichzeitiger Errichtung prächtiger Paläste. So war mit dem Bau von Schloss Nymphenburg anlässlich der Geburt Maximilian II. Emanuel begonnen worden; er selbst erweiterte es um die beiden Galerieflügel und weitere Anbauten.
Ebenfalls untenstehend ist der Bremer Erlass vom 23. April 1697 zur rabiaten Vertreibung der als "zusammen rottiertes Volck zu Ross und Fuss", "welche sich insgemein für Zigeuner aussgeben", abgebildet. Er zeigt, dass auch das Patriziat der Hansestädte sich in die Phalanx der Obrigkeiten einreihte, welche diese Menschen jahrhundertelang quer durch Europa jagten. Die entsprechenden Erlasse aus der Schweiz sind auf href="http://www.thata.ch/thataabschiede.htm">diesem Link zusammengestellt.
Dekret von Maximilian II. Emanuel, München 1693, gegen "vagierendes schlimmes Gesindl"
Erlass der Hansestadt Bremen, 1697, gegen "Zigeuner" |