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Dokument Nr. 37:
Auszüge zur Geschichte der fahrenden Spielleute, Gaukler, Tierdresseure, Akrobaten im Mittelalter aus Franz Böhmes "Geschichte des Tanzes in Deutschland" von 1886

Aus: Franz Böhme: Geschichte des Tanzes in Deutschland, Band 1, Leipzig 1886

S.278 ff.


[...]

Die fahrenden Spielleute

Nach ihrem Ursprünge sind die Fahrenden und Gehrenden ein durchaus ungermanisches Volk, weil sie Gut für Ehre nahmen, was dem Charakter unserer deutschen Voreltern unmöglich und unbekannt war. Sie sind römischen Ursprungs.

Das verachtete Geschlecht der Gladiatoren, Mimen (mimi), Tänzer (saltatores), Schauspieler (histriones, thymelici) und wie sie hießen, hatte sich über die Stürme der Völkerwanderung hinaus erhalten und von Rom aus unter die Barbaren verbreitet ; aus der verfallenden römischen Welt haben sich diese Banden von Spielleuten in die aufsteigende Moderne gerettet und waren vom 5. — 8. Jahrh. allmählich aus dem Süden nach dem Norden gedrungen. In Deutschland fanden sie mit ihrer Unterhaltung ergiebigen Boden und bald auch reichlichen Zuwachs in den hinzutretenden Klerikern, welche dem ernsten, klösterlichen Leben entsagten und mit der lustigen Bande zogen, sowie auch später die fahrenden Schüler (vagi scholares, Vaganten, Bettelstudenten) mit ihnen oft gemeinschaftliche Sache machten.

Von diesen herumziehenden gemeinen Musikanten, Tänzern, Kämpfern, Gauklern und Puppenspielern, welche aus Italien über Frankreich nach Deutschland gekommen, haben wir wohl zu unterscheiden die ebenfalls wandernden Volkssänger und Volksdichter, welche seit uralter Zeit bei verschiedenen deutschen Stämmen vorkommen , aber als Verfasser und Verbreiter der alten epischen Heldengesänge, als Träger der Neuigkeiten und als Boten beim Volke wie an Fürstenhöfen in hoher Achtung standen.

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Ferner müssen wir jene fahrenden Künstler, die das frühere Mittelalter aus der antiken Welt überkommen hatte, nicht mit den fahrenden höfischen Dichtern und ritterlichen Sängern verwechseln; letztere adelte die Gabe der Poesie und des Gesanges; die Spielleute aber traf der Fluch, der sich an die Kunst heftet, wenn sie nach Brod gehen muss.

Das leichtsinnige Volk der Fahrenden war auf die Gunst der Menge angewiesen und musste sich nach dem Geschmacke derselben und nach der Zeitströmung richten. Poesie und Musik war anfangs nur Nebensache, erstere war ihnen in Deutschland ganz verschlossen. Ihre hauptsächlichen Übungen und Fertigkeiten waren allerhand Gaukelkünste, Puppenspiele . Seiltänzerstückchen, pantomimische Auflführungen und Spiele mit abgerichteten Thieren, besonders mit Bären.

Selbstverständlich gab es in der großen Schar der Spielleute verschiedene Stufen betreffs der Leistungen und dem entsprechend war das Ansehen. Am niedrigsten standen die Kinder der Landstraße : alle jene hungernden und herumlungernden Gaukler, gemeinen Springer, Tänzer, Klopffechter und Bärenführer.

Besser dagegen befanden sich die Instrumentisten , welche auf der Fidel, Rotte und Harfe größere Fertigkeit erlangt hatten , sodass sie auf Burgen und an Höfen zum Gesang begleiten und zum Tanze aufspielen konnten. Größerer Achtung genossen diejenigen, welche durch ihr Wanderleben fremde Sprachen erlernt hatten und als Sprachmeister dienten, oder welche durch ihre Kunst in höhere Gesellschaft gekommen waren und die Tabulatur des feinen Ausdrucks (Moralität) auswendig wussten, dauernde Stellung hatten und feste Einkünfte bezogen. Gewiss waren solche Spielleute, Sänger, Sprachmeister und Anstandslehrer an den Höfen der Fürsten und Edelherren nicht schlechter bestellt, als in modemer Zeit die Hofschauspieler, Hofkapellmeister und Hofpianisten.

Neben den Spielmännern gab es, und zwar schon seit der römischen Zeit, auch Spielweiber, die ebenfalls ihre Kunststücke machten und springen und tanzen mussten. Sie waren zwar ein Anziehungsmittel, aber auch der Grund zum tiefen sittlichen Sinken der fahrenden Gesellschaft. Die Tänze und pantomimischen Darstellungen, worin die Spielweiber auftraten, mögen frei und frech gewesen sein, das Volk scheinen sie jedoch ergötzt zu haben. Schon Childebert I. sah sich um 554 veranlasst, gegen den Unfug dieser Weiber (bansatrices) einzuschreiten und Hincmar von Reims warnt seine Priester vor diesen tornatrices, die bei ihren Tanzkunststückchen sogar auf den Kopf sich stellten, wie uns in einer Abbildung eines fahrenden Orchesters aus dem 12. Jahrhundert figürlich dargestellt ist. Einfluss auf die Spielleute und die Stellung der Spielweiber zu den vornehmen frivolen Kreisen übten offenbar die Kreuzzüge. Ganze Scharen von Fahrenden begleiteten die Kreuzfahrer nach Asien. Da gab es viel Neues zu sehen und zu lernen ; denn bei den Morgenländern waren Gaukler seit alter Zeit zu finden, die den Abendländern Manches zeigen konnten. Die christlichen Ritter waren gegen diese heidnischen Künstler und namentlich gegen die Künstlerinnen gar nicht unempfindlich und Kaiser Friedrich II. nahm sogar ein Paar saracenische Spielweiber mit nach Europa, die er später durch andere ersetzt zu haben scheint; denn noch 1244 ergötzte er Richard von Cornwall bei einem Besuche durch Tänze und Künste zweier saracenischen Weiber, die singend und mit Pantomimen Cymbel schlagend auf Kugeln auf dem glatten Fußboden herumfuhren.

Während seines Aufenthalts in Syrien 1229 unterhielt Friedrich II. sogar einmal Saracenen, die bei ihm aßen, durch die Kunst christlicher Spielweiber. — Wichtig für abendländische Musik war es, dass durch die Kreuzfahrer seit dem 12. Jahrhundert orientalische Bogeninstrumente nach Europa kamen.


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Was ihre Tracht anlangt, so ist darin die niedrige Stellung im Recht zu erkennen. Es scheint fast durchgehends Forderung gewesen zu sein, dass die Spielleute Haar und Bart scheren mussten; denn das lange Haar war der Schmuck des freien Mannes, also ihnen, gleich den Knechten, versagt. Auf Bildern der Pariser Liederhandschrift (bei v. d. Hagen Taf. 3. 5. 22. 45) ist allerdings kein Unterschied von der Tracht anderer Personen zu sehen, und auch einzelne Bilder in andern Hand- schriften späterer Zeit best&tigen dies. Dagegen erzählt Rudolf Glaber bei der Hochzeit des Königs Robert von Frankreich mit Constanze von Aquitanien um das Jahr 1000 von einem Zusammenfluss der Spielleute, namentlich aus der Auvergne und Gascogne, und sagt dabei ausdrücklich, dass sie kurzhaarig und nach Art der Histrionen bartlos gingen.(Du Ghesne, hist. Francor. Script IV, 38 : a medio capitis nudati, histrionum more barbis tonsi.) Dieselbe äußere Erscheinung ist auch in Berthold's Predigten (I, 114, 19), sowie im bairischen Landfrieden von 1244, cap. 61 und im bairischen Landrecht von 1255, cap. 50 erwähnt.

In der Heidelberger Handschrift des Sachsenspiegeb (edirt von Kopp) ist diese Kurzhaarigkeit bei den Kämpen deutlich, zugleich die Kürze des Bartes auffallend. Der Spielmann dagegen hat langes Haar, aber einen Rock, der unten tief zerschnitten ist. Die fahrenden Kleriker (Lotterpfaffen) ließen absichtlich ihr Haar lang wachsen , um dadurch die geistliche Kopftracht und ihren früheren Stand zu verleugnen. Sie werden daher als «loterphafen mit dem langen hare« (lotrici et Vagi scolares cum longa coma) in polizeilichen und kirchlichen Äußerungen bezeichnet.

Im Übrigen scheinen die Spielleute in Deutschland kürzere Oberkleider getragen zu haben, als gewöhnlich war. In Frankreich putzten sie sich möglichst auf, liebten es , in seidenen Gewändern zu gehen, die phantastisch mit allerlei Borden besetzt waren, und trugen auf dem Kopfe einen schwankenden Schmuck von Pfauenfedern. Wer möchte zweifeln — meint Prof. Weinhold, dem ich diese Notizen über Tracht entlehnt habe — , dass die deutschen Spielleute sich ebenso aufputzten, wenn es ihnen möglich war? Durch auffallende Tracht suchen ja noch heute gemeine Komödianten die Menge zu locken.

Von den Kunstleistungen der Spielleute erfahren wir mancherlei. In dem aus dem 13. Jahrhun-dert stammenden Gedichte Karlmeinet (ed. A. v. Keller 287, 11 ff.) wird uns erzählt : »Es kamen mehrere hundert Spielleute; darunter allerhand Musikanten mit Fiedeln, Harfen, Geigen und Psalter, mit Hörn und Sackpfeife (musette) , die traurige Herzen froh machten, Sänger, die von Aventiuren und Dingen, so in alten Zeiten geschahen, und von Minne singen konnten, und dazu wappenkundige Spruchsprecher; aber auch Riesen und Zwerge, Taschenspieler, Springer und Tänzer; Leute, die mit Böcken und Pferden kämpften, Meerkatzen reiten ließen und mit Hunden


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tanzten, Steine kauten, Feuer fraßen und aus dem Munde bliesen; andere, welche die Stimme der Nachtigall, des Rehs, des Pfaues nachzuahmen verstanden.«

Wieder anderwärts erfahren wir von andern Kunststücken der Joculatores. Da gab es Leute, die durch halsbrecherische Künste die Zuschauer in Staunen versetzten, durch Verrenken , den Kopf hinten über biegen und sich rückwärts überschlagen. Die Hauptspringer dieses Kunststückes bekreuzigten sich vorher. Da spielt einer mit Marionetten oder mit Messern, einer geht auf den Händen, ein anderer tanzt, springt durch den Reif etc.

Ein Wachtelmärchen (Lügenmärchen) aus dem 14. Jahrhundert enthält folgenden Aufruf an die Spielleute, ihre verschiedenen Künste vorzuführen :

«Nun zu, ihr Spielleute! Schlagt auf die Hundshäute (Trommel), schmiert die Rossschwänze (Fiedelbogen) und lasst eure Nägel die Därme (Saiten) rüstig rühren, richtet mit den Schnuren das Tockenspiel (die Tatermänner) und seid hochgemuth! Dudelsackpfeifer, lauft schnell durch das Holz , springet, geht mit verschränkten Beinen einher, geiget, harfet, fiedelt! Da wird euch eins auf den Nacken (Schlag als Lohn): zwölf Wachteln in den Sack.«

Von dem wüsten Treiben und der vielseitigen Beschäftigung der Fahrenden am Ende des 13. Jahrhunderts entwirft ein deutscher Dichter (der Kanzler) eine gewiss nicht übertreibende Schilderung; er sagt von den Spielleuten: der erste lebt von Betrug, der zweite vom Spiel, der dritte lügt sich an Höfen herum, der vierte ist ein Seiltänzer, der fünfte spielt den Narren, der sechste lebt von Spotten und Schelten, der siebente handelt mit alten Kleidern, der achte sammelt Federn, der neunte thut Botendienste, der zehnte lebt von der Lüderlichkeit seines Weibes, seiner Tochter oder Magd (MSH. U, 390, bei Bartsch, Liederdichter S. 239).

In Folge ihres Lebenswandels und wegen ihres verachteten Berufs galten die Fahrenden für rechtlos. (Kemphen und ire kindere und alle die uneliche geborn sin, und spillüte und die dübe oder ronb sünen oder wider gebn, und sie des vor gericehte verwunden werden, oder die ir lip, hüt oder har ledigen, die sint alle rechtelos. [Sachsenspiegel I. Buch, 38. Art. § 1 .] )

Den Germanen erschien es unnatürlich, dass Jemand für Geld seine Ehre hingeben könne; ein solcher wurde demjenigen gleich gestellt, der die Freiheit mit Unfreiheit vertauscht: er hatte kein Recht, keine Forderung an Busse.

Nach dem altfriesischen Rechte (Lex Fris. V, 1) konnten die Klopffechter, die um Geld ihr Leben auf das Spiel setzten, von Jedermann straflos erschlagen werden.

Der Sachsenspiegel (das um 1215 - 35 von dem sächsischen Ritter Eike von Repgowe aus alten Rechtsgewohnheiten zusammengestellte Rechtsbuch) gab den


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Spielleuten und denen, die sich zu eigen geben, nur eine Scheinbusse, nämlich den Schatten eines Mannes, den Kämpen und ihren Kindern nur den Glanz, den ein blinkender Schild gegen die Sonne wirft. (III. Buch, 45 Art., § 9: Spilliiten und alle den, die sich zu eigen geben, den gibt man zu büze den schaten eines mannes. Kemphen unde Iren kinderen den gibt man zu büze den blic von eime kamphschilde gein die sunnen.)

Dieselbe Scheinbuße gewährt auch das bairische Landrecht aus dem 14. Jahrhunderte. (Spilleuten vnd allen den dy gut für ere nemend vnd dy sich ze aigen haben geben, den gibt man ain schatten aines manes langk gegen der sunn, das ist also gesprochen: wer jn icht laides tuet vnd wolt in darumb püessen, der sei zu ainer wantt sten, da dy sunn anscheint vnd sei der spilman oder aer, der sich ze aigen hat geben, an der wennt an den hals slachen, mit solcher räche hat man in gepüesset.« [Bairisches Landrecht, aus dem 14. Jalurhundert, Wiener Hofbibliothek Codex 2856 fol. 921])

Die gothländischen Rechte gestatteten dem Erben eines erschlagenen Spielmannes dann die volle Buße, wenn er es vermag, eine junge ungezähmte Kuh, die von einem Hügel hinunter gepeitscht wird, mit fettbestrichenen Handschuhen am Schwanze zurück zu halten.

Der Schwabenspiegel (Landrecht 15, 41) enterbte den Sohn, der gegen seines Vaters Willen Spielmann wurde, und erklärte die Spielleute für rechtlos.

Die Stadtrechte verweigerten ihnen den Zutritt oder zwangen sie zu öffentlichen Arbeiten und König Rudolf I. schloss sie von seinem Landfrieden 1287 aus.

Die Kirche hatte sich seit alter Zeit gegen die Spielleute erklärt, belegte sie mit dem Banne und behandelte sie als Abgefallene, als Kinder des Teufels, gestattete ihnen nur in seltenen Fällen den Zutritt zum Altare und schloss sie vom ehrlichen Begräbnis aus. Es genüge hier auf Bertholds Predigten I, 155, 17 zu verweisen.(Bertholds Predigten. Ausgabe von Klink 1824, 8. 55.)

Sogar in Geburtsscheinen wird ausdrücklich hervorgehoben, dass der Betreffende »von ehrlichen biderben Leuten, nicht von Pfeiffem, Spiellüten, Schöfem, Badern, Leinwebern, von Sprechern (rabulis) noch von keinerley gerenden Lüten geboren ist«, wie ein bei Reißmann (Geschichte der Musik 11, 15) im Wortlaut vollständig mitgetheilter Geburtsschein aus Sachsen 1431 besagt.

Trotzdem die Kirche so sehr gegen den Tanz eifert, haben wir doch aus dem Mittelalter ein sonderbares Schauspiel, dass ein Pfaffe seinen Pfarrkindem an Sonn- und Festtagen zum Tanz aufspielte. Es wird nämlich in der Braunschweiger Chronik zum Jahr 1203 erzählt, dass an Pfingsten dieses Jahres zu Ossemer bei Stendal das Gewitter einschlug, dem zum Tanz fiedelnden Pfaffen die rechte Hand lähmte und auf der Seheuntenne (wo getanzt wurde) 24 Personen tödtete.»

("In dussem Jare geschah ein Wundertecken by Stendal in dem Dorppe seheten Ossemer, dar sat de Peme (Pfarrer) des Midweckens in den Pfingsten und veadelte synen Buren to dem Danse, da quam ein Donreschlach, unde schloch dem Pamer synen Arm äff mit dem Veddelbogen unde XXIV Lade tod up dem Tyn.« [Chron. piet. Brunsvig. p. 355.] )

Da der Tanz von der Geistlichkeit so hart angefeindet wurde , ist es ganz erklärlich, dass auch die armen Spielleute dabei schlecht wegkamen. Im Tanzteufel von Hartmann 1677 heißt es : »Von den Musikern, welche zum Tanze spielen,


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wird man wenige im Himmel antreffen, das sind Leute, welche mit einem bösen Geracht behaftet und der Unflätigkeit unterworfen sind.«

Philander yon Sittewald (Straßburg 1650, S. 378) kommt auf seinen Streifereien auch in die Hölle. Dort fragt er unter Andern die »Gebratensgeiger«, Spielleute und Sänger : "»Ich bitte, was mag die Ursache sein, dass ihr so übel gehalten werdet?« »Nichts anders, sprach einer, als dass wir mit Harfen und Geigen, mit Couranten und Galliarden, mit Passemessen und Sarabanden, mit Volten und mit Branlen anher gekommen. Das nehmen uns die Herren Teufel so übel, und sprechen: hier sei nicht ein Ort des Lachens, Tanzens und Springens , sondern des Heulens , Weinens und Wehklagens.« Ein Teufel trat hinzu und sagte : »Und warum, du Lumpenhund, sagst du nicht die gründliche, wahre Ursache? Aber die habt ihr je und allwegen vertuscht und verhehlt! Nämlich: ihr habt der thörichten, muthigen, hitzigen Jugend zu einer unzähligen Menge allerlei gräulicher, wüster, stinkender Sünden Zeit und Gelegenheit gegeben, gleichwohl habt ihr Alles vor der Welt verschwiegen, so lange ihr in dem losen Leben geschwebet. Ja auch bei den allerheiligsten Übungen, anstatt dass ihr zu Ehren Gottes geist- und anmuthreiche Psalmen und Gesänge erschallen lassen solltet, habt ihr mit wälschen, losen, leichtfertigen Fugen, Fusen (flüchtig zu spielende Tonstücke), Phantastereien und Konzerten zu unzüchtigen leichtsinnigen Tänzen Anlass gegeben, und auf der Orgel aufge-spielt, dass gottliebende Herzen davor ein Abscheu und Gräul gehabt; Gott aber habt ihr dadurch höchlichen gehöhnet und gelästert.« "

R. Voss macht dazu die gute Bemerkung : Den armen Spielleuten ging es also nicht wie dem Meister Orpheus, ihre Leistungen waren den Herren Teufeln zu mangelhaft, sie verfehlten ihre Wirkung. Ihre Harfen und Geigen brachten ihnen statt Freude nur Marter und Qual.

Mit der großen Verachtung des Standes der Spielleute kontrastirt ihre große Beliebtheit bei Hoch und Niedrig. Die Spielleute waren die Freudenbringer bei allen festlichen Gelegenheiten; sie belebten nicht nur die vornehme Gesellschaft in den Zimmern, sondern erlustigten auch die Menge auf den Wegscheiden, Straßen und Plätzen.

Der fahrende Spielmann war auf jeder Burg willkommener Gast. [...] Zumal wenn Feste am Hofe waren, fand eine große Menge Spielleute, Musikanten, Sänger, Akrobaten und fahrende Leute aller Art sich zusammen, welche von der Milde des Hausherrn und seiner Gäste das Beste erwarteten.

Die Spielleute sammelten sich von Alters her bei den Hochzeiten, wenn sie nur irgend Aussicht hatten dort etwas zu verdienen. Der Tanz auf Hochzeiten ward nicht immer bloß von Gesang begleitet, sondern auch von Gesang und In-

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strumentalmusik abwechselnd oder von letzterer allein. Letztere besorgten eben die Spiel-leute. Außer dem Tanze suchten sie zur Unterhaltung beizutragen, sie trugen auf Fiedeln und Flöten ihre Weisen vor, erzählten beliebte Dichtungen und ergötzten durch allerhand Kunststücke.

Ein Prediger des 13. Jahrhunderts schildert die Hochzeit zu Kana und sagt:

Da waren nicht Pfeifer und Geiger, noch Tänzer noch Sänger, noch Spielleute wie heute bei den Brautläuften. [Grieshaber, deutsche Predigten des XIII. Jh. 2,20.]

Heinrich von Veldeke erzählt von Äneas' Hochzeit [Eneit 345,31]: Da war Spiel und Gesang, Turnier und Gedrang, Pfeifen und Singen, Tanzen und Springen, Trommeln und Saitenspiel, mancherlei Freuden viel.

Kein Ritterschlag mit seinen darauf folgenden ritterlichen Übungen war ohne Musik und also nicht ohne Spielleute. Zum Ritterschlag selbst wurde musicirt mit dröhnenden Kriegshörnern, lärmenden Trommeln und klingenden Cymbeln (cum stridentibus buccinis, strepentibus tympanis et tinnientibus cymbalis).

Die Limburger Chronik (S. 129) erzählt von einer Fürsten-Versammlung und den anwesenden Spielleuten: "Anno 1397 kamen die Fürsten von Deutschland gen Frankfurt und hatten einen großen Rath und Consilium und überkamen eines Landfriedens." Nachdem der Chronist alle Fürsten, Grafen und Herren Räthe mit Namen angeführt, sowie deren Pferde aufgezählt , fährt er fort: "Auch waren da 1300 Ritter und 3700 Edelknechte. Sodann waren da 450 vornehme Leute. Sodann Spielleute, Pfeifer, Trommeter, Sprecher und fahrende Schüler."

Kam die Zeit der Brunnenfahrt, die Badesaison würden wir sagen, so strömten Scharen von Spielleuten nach den Badeorten , wo die vornehme Gesellschaft im Sommer sich erlustigte. So heißt es in Cap. 2 der in Straßburg 1382-1414 abgefassten Chronik des Königshofen:

»Zu der brunlust komment ussermossen vil spillüte vnd farender lüte, do hieß sie der keyser alle enweg faren vnd gap inen weder gobe noch spise.«

Waren Spielleute am Hofe angelangt, so ließ man sie, während die Herrschaften bei Tafel saßen, in den Saal kommen und dort mit ihren Kunstleistungen die Speisenden ergötzen. Über die Art ihrer Aufwartung erfahren wir etwas aus folgender Stelle einer alten Reise-beschreibung, die Scheid in seiner Dissertatio de jure in Musicos (1719, p. 18) anführt : »Vor dem Tische stant die hohen Fürsten zu dienende und varende Lüte, und ist keiner, der ein einig Wort rede, es sy denne das der Can (Vorsteher, Intendant der Truppe) zu ime rede , ane (ausgenommen] die varende Lüte, die getichte machent oder nuwe mer bringent oder nuwe mer erzügent oder spil.«

Hatten die Spielleute ihre Sache gut gemacht, so konnten sie ihres Lohnes sicher sein: die entzückten Zuhörer lösten ihre Mäntel und warfen sie ihnen zu.

Der Herr, welcher das Fest veranstaltet hatte, entließ sie selten unbelohnt. Gewöhnlich bekamen sie zunächst zu essen und zu trinken und die Überreste der Tafel wurden ihnen preisgegeben. Alle sollten zufrieden der Festtage gedenken und die Freigebigkeit des Herrn und seiner Gäste rühmen und preisen. Aber


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wenn das fahrende Volk auch noch soviel bekommen hatte, so war es unter einander neidisch, falls einer mehr dayontrug, und sie verwünschten dann das Fest und diejenigen, die ihnen nicht genug gegeben hatten. [Erec 2169.]

Als Geschenke bekamen die fahrenden Leute, die zu einem Feste sich eingefunden hatten: Qeld, Kleider und andere Werthsachen, zuweilen sogar Pferde.

Im Ganzen wurden die Spielleute reichlich belohnt, wie viele Belegstellen aus Dichtungen des 13. Jahrhunderts uns darthun. (Gr. Wolfdr. 2095: On schände und one sorge ward rich manig farende man, ne denn umb hundert mark, der vor einen Schilling nie gewan.

Die Spielleute Etzels (Swemmel und Werbel) verdienen bei Kriemhildens Hochzeit mehr als tausend Mark (die Mark = 1/2 Pfund Silbers). Vergl. Nibelungenlied ed. Zarncke 209, 6.)

Gerathen war es auch, ihnen zu geben, denn sie hatten nicht nur immer leere Taschen, sondern auch scharfe Zungen und sangen Schmählieder auf den Geiz der Herren, die ohne Gabe sie entlassen hatten.

Nicht überall wird jedoch solche Freigebigkeit geübt. So schickt Kaiser Heinrich III. bei seiner 1044 zu Ingelheim gefeierten Hochzeit eine Menge dorthin gekommener Histrionen und Joculatoren ohne irgend eine Gabe fort. (Infinitam multitudinem histrionum et joculatorum sine cibo et muneribus vacuam et maerentem abire permisit. [Annal. Wirzibur.] )

Dieselbe Geschichte erwähnt auch Otto von Freising in seiner Chronik : »Und da er (Heinrich III.) nach königlicher Sitte zu Ingelheim seine Hochzeit feierte, schickte er die ganze Bande der Tänzer und Possenreisser, welche wie gewöhnlich hier zusammengekommen war, unbeschenkt fort, und was er diesen Genossen des Teufels abgezogen hatte, vertheilte er freiwillig unter die Armen.« (Quumque ex more regio nuptias Ingelheim celebraret, onane balatronum et histrionum collegiura, quod (ut assolet) eo confluxerat, vaouum abire permisit pauperisque ea, quae membris diabolicis subtraxerat, large distribuit. [Otto von Freising, Chronik lib. VI, cap. 32.] )

Aus dieser Bemerkung ist ersichtlich, welche Begriffe man von den Spielleuten schon im 11. Jahrhundert hatte.

Diese Kunstvagabunden waren es, welche in den Rittersälen, wie unter der Dorflinde, wie später bei bürgerlichen Hochzeiten auf dem Rathhause vor den Patriciem zum Tanze aufspielten und dafür sorgten, dass die im Mittelalter noch wenig beachtete Instrumentalmusik nicht ausser Übung kam.

Die Instrumente, welche in frühester Zeit beim Tanz gebraucht wurden, waren Trommel und Pfeife, die beide zuweilen gleichzeitig von einer Person gespielt werden. Später kamen hinzu Zinken, Trompeten, Posaunen, Drehleier, Fiedeln und Geigen und einige Klingelinstrumente. Ob die Laute im geschlossenen Räume zum Tanz gespielt worden sei, ist sehr fraglich; dagegen war früher der


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bei Vornehmen und Geringen gern gehörte Dudelsack (Sackpfeife) zum Tanzaufspielen in häufigem Gebrauch. Auf der Abbildung eines ländlichen Tanzes in Petrarchae Trostspiegel (S. 21) erblicken wir außer Tänzern und Tänzerinnen (die einen Kreis bilden, also Reigen tanzen) drei Spielleute. Einer bläst den Zinken, der andere die Sackpfeife, der dritte hat eine gewöhnliche Pfeife (Langflöte) im Munde, mit der einen Hand hält er die Pfeife und fingert darauf, während er mit der andern dazu die kleine Trommel schlägt, die vorn an ihm hängt. Solche Doppelmusiker werden aus dem 15. und 1 6. Jahrhundert oft abgebildet gefunden.

Als Musikinstrumente bei Tanz und Fastnachtslust nennt Fischart (Gargantua Kap. 7): Schal-meien und Pfe ifen, wozu der Schwegel, die Lullen-, Rus- und Sackpfeife gehörten; femer Sautröglein (Trommel), auch Schnurre und Maultrommel (Brummeisen, das man in den Mund zwischen die Zähne nahm und darauf fingerte).

Im Mittelalter gab es eine überraschend große Zahl von Instrumenten, freilich aber von sehr unvollkommener Beschaffenheit. Im höfischen Zeitalter wurde von den Spielleuten die Fertig-keit auf folgenden Instrumenten verlangt: Fiedel (viäle, viole) , Geige (gigue), Zither (Cithera, Psalterium), Laute, Rotte (harfenförmige Cither), Drehleier (Organistrum, Symphonie, Chifonie, später Vielle), Dudelsack (musette), Pfeifen, Zinken, Hörn, Trompete, Posaune und Trommel.

Auf Beschreibung und Geschichte der Instrumente einzugehen, kann hier nicht erwartet werden [...].

Der Deutsche hat leider noch kein Werk über Instrumente des Mittelalters mit Illustrationen, wie solche Frankreich und England in großer Pracht besitzen.

Wir müssen uns daher vorläufig mit ausländischer Literatur behelfen.

In Bezug auf das Instrumentale scheinen die deutschen Spielleute hinter den welschen nicht zurückgestanden zu haben; es werden sogar in Frankreich die deutschen Geiger und böhmi-schen Flötenspieler besonders gerühmt, und deutsche Instrumente standen bei den Provenza-len und Lombarden in besonderem Ansehen.

Über das Leben und Treiben der Spielleute sind wir durch viele eingehende, quellenmäßige Abhandlungen hinreichend unterrichtet, auch ihre zahlreichen, sonderbaren, zum Theil nicht mehr vorhandenen Instrumente sind uns durch die Forschungen der Franzosen, Engländer und Deutschen zur Genüge bekannt und durch Abbildungen aus alter Zeit, sowie durch Exemplare in Museen uns vorgeführt.


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Aber wenig wissen wir über das Wesen ihrer Musik, so gut wie nichts über die Beschaffenheit ihrer musikalischen Produktionen nach Tonart, Taktart, Rhythmus ihrer Melodien, Formgebung und Tonschrift.

[...]

In die naturwüchsige Musikantenpraxis hatten die Kunstmusiker (gelehrte Theoretiker und Kirchenkomponisten) nicht hinein zu reden. Dagegen nannten die Musikgelehrten die natür-liche Durscala, deren sich die Pfeifer bei ihrer weltlichen Musik bedienten, die gemeine Tonart (modus lascivus), obgleich der nach Fortschritt strebende Marehettus de Padua ganz bestimmt erklärt hatte, Dur (ionisch) sei die einzige wirklich natürliche Fortschreitung.

[...]

Engelbert, der im 13 . Jahrhundert Abt im Kloster Admont in Obersteiermark war, bemerkt in seinem Traktat über Musik [abgedruckt bei Gerber, Scriptores 11, 289] : «Metrisch ist die Art der Histrionen, die man in unserer Zeit Singer (Sänger) nennt und die vor Alters Poeten hießen, welche allein nach dem Gebrauche metrische oder rhythmische Gesänge erfinden, um damit die Sitten zu rügen oder zu bilden und das Gemüth zur Ergötzung oder Trauer zu stimmen. Der melodischeModus (die Art der Tonfolge), also die Melodieerfindung gegenüber dem vom Dichter schon gesetzten Metrum gehört den Lyranten und Pfeifern, welche gleichermaßen aus dem blossen Gebrauche tonrichtige Melodien auf ihren Leiern und Pfeifen und andern Instrumenten komponiren und sich durch Naturanlage und Übung (per naturam et usum) der Kunst so viel als möglich nähern, wie ja auch Aristoteles sagt, dass Viele ohne Kunstanleitung machen, was zur Kunst gehört, und umgekehrt Viele, was sie durch Kunst wissen, thatsächlich hervorzu-bringen nicht vermögen.« (Citat übersetzt bei Ambros II, 270.)

Wenden wir uns nun ab von dem verachteten Gesindel der Fahrenden und betrachten wir


Die zünftigen Musikanten.

Zu der Zeit, als alle Handwerker sich zu Innungen und Zünften vereinigten und selbst der Gesang durch die Meistersinger zünftig wurde, thaten auch die Instrumentisten in Deutschland, wie gleichzeitig in Frankreich und England, sich zu Innungen zusammen oder, was dasselbe sagt, schlössen Bruderschaften, zogen in die Städte, um ihr Brod zu verdienen, und Landstörzen hatte für viele ein Ende; die auf den Gehrenden und Fahrenden ruhende Verachtung ward dadurch entfernt, wenn sie das ehrende Prädikat «Stadtpfeifer« oder »Stadtzinkenist« führen durften. [...]



F. Böhme gibt folgende Literaturhinweise zu seiner Darstellung der mittelalterlichen Spielleute:

Ferencz Erkel, Geschichte der Musik II, 721 ff. 748-752.

Ambros, Geschichte der Musik II, 268 ff.

A. von Dommer, Handbuch der Musikgeschichte 123. 133 ff.

Reißmann, Geschichte der Musik II, 15 ff.

W. Grimm, Deutsche Heldensage.

W. Wackernagel, Litteraturgeschichte S. 41. 75 etc.

A. Köhler, Über den Stand berufsmäßiger Sänger im nationalen Epos [in Pfeiffers Germania XV, 27 — 50].

R. von Liliencron: Historische Volkslieder (Einleitung).

F.Vogt, Leben und Dichten der deutschen Spielleute im Mittelalter. Halle 1876.

G. Freytag, Bilder aus deutscher Vergangenheit, 1867, II, 443 ff.

A Schultz, höfisches Leben sur Zeit der Minnesinger I (1879), 439 ff.

K. Weinhold: Die deutschen Frauen im Mittelalter 1882, H, 131—151.

F. M. Böhme, Artikel »Spielleute« und »Stadtmusiker« in Mendel-Reißmanns Lexikon für Musik.



Kommentar:

Es gibt unzählige Quellenhinweise und allgemeine Darstellungen der in vieler Hinsicht diskriminierten, aber in ganz Europa seit dem frühen Mittelalter präsenten fahrenden Spielleute, Musiker, Sänger, Tänzer, Akrobaten, Schaukämpfer, Schauspieler, Pantomimen, Tierdresseure und so weiter, die vielfach im Familienverband reisten und ihre von Generation zu Generation tradierten und weiter entwickelten Dienstleistungen anboten. Sie waren einerseits nicht wie Leibeigene und andere Landleute an den Grundbesitz der feudalen Oberschicht gebunden, hatten aber deutlich weniger Rechte als andere Freie oder Stadtbewohner; erst spät konnten sich einige von ihnen als Zunftangehörige sich in die städtische Bürgerschaft eingliedern und sesshaft werden. Dass sie gegen Lohn arbeiteteten, macht sie zu Vorläufern moderner Erwerbsformen, entehrte sie jedoch in der Feudalgesellschaft. Trotz ihrer gesellschaftlichen Aussenseiterstellung konnten es Spielleute durchaus zu allerdings meist nur zeitweisem Wohlstand bringen. Der reichhaltige mittelalterliche Festkalender erleichterte ihre in Notzeiten besonders prekäre Existenz. Von kirchlicher Seite wird ihnen Nähe zu Sünde, ja zum Teufel zugeschrieben, eine Auffassung, welche auch die reformierten Bekenntnisse übernahmen und teilweise bis zu gänzlichen Verboten von Tanz, Spiel etc. steigerten.

Die tiefe Stellung der Spielleute in der ungleichen ständischen Rechtsordnung, die eine Rangordnung war, belegen viele Rechtssatzungen des Mittelalters. Manche von ihnen erlauben straflosen Mord an bestimmten Gruppen von Fahrenden oder legen lächerlich machende Scheinbussen und symbolische Formen der Entschädigung für Angehörige dieser Aussenseitergruppen fest anstelle der ungleich höheren Geldsummen (Wergelder), auf welche Angehörige höher gestellter Gesellschaftsklasssen bei Misshandlungen oder Tötung von Famlienmitgliedern laut denselben Rechtssatzungen gegenüber den Tätern Anspruch haben.

Franz Böhmes Darstellung hat den Vorteil, dass sie einen Grossteil, wenn auch nicht alle ihre Quellen genau belegt. Doch Böhme übernimmt zeitgenössische Diffamierungen dieser uralten, authochthonen europäischen Bevölkerungsgruppe als "Fremde", "Gesindel", "Vaganten" und "Vagabunden", insbesondere auch, wo er ihren Erwerb als "ungermanisch" darstellt und sie trotz ihrer vielfältigen Zusammensetzung generell von den Vertretern dieser Berufsgattungen, die im alten Rom tätig waren, ableiten will, als ob nicht alle europäischen Völker, wie die übrigen Völker des Erdkreises auch, immer auch ihre Kunstproduzenten dieser künstlerischen Branchen gehabt hätten und haben, wovon oftmals ein grosser Teil wenig sesshaft lebte. Ein Überlieferungsstrom dieser Kulturformen auch zwischen der spätrömischen und der frühmittelalterlichen Epoche ist dennoch wahrscheinlich, doch war es nicht der einzige.

Schon im Mittelalter gab es Querverbindungen zwischen den Spielleuten und Gauklern Europas und des Vorderen Orients. Die zunächst als "Zeginer" oder "Aegypter" bezeichneten Roma, die ursprünglich aus Indien stammen und welche später, ebenfalls ausserhalb der Zunftordnung, in den gleichen Bereichen tätig waren, taten dies in Mittel- und Westeuropa erst seit dem Spätmittelalter, genauer: seit ihrer Ankunft in diesen Landstrichen gegen Ende des 14. / Anfang des 15. Jahrhunderts.

Einen neueren Überblick über die Geschichte der Fahrenden und Spielleute im Mittelalter gibt u.a. Wolfgang Hartung: Die Spielleute im Mittelalter. Gaukler, Dichter, Musikanten. Düsseldorf / Zürich 2003