reformiert.| www.reformiert.info | Nr. 1/31.Dezember 2008
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Kloster und Armenanstalt
800 JAHRE KAPPEL. Ein Jubiläumsbuch
zeigt die Geschichte des Klosters Kappel.
«Anmächelig» kommt es daher, das Buch zum 800-Jahr-Jubiläum des Klosters Kappel:
Witzige und spannende historische Bilder sowie eine verständliche Sprache
laden auch Nichtinsider ein, die bewegte Geschichte des heutigen Bildungshauses
der reformierten Zürcher Kirche nachzuverfolgen. Dessen Ursprünge liegen
im ausgehenden 12. Jahrhundert, als das Haus als Zisterzienser-Kloster
gegründet wurde.
Trotz schöner Aufmachung betreibt das Buch aber keine beschönigende
Geschichtsschreibung. Wo heute im Bildungshaus Kursteilnehmende auf
Meditationskissen sitzen oder Manager in Businessseminaren klösterliche Stille
tanken, ging es im 19. und 20. Jahrhundert wenig erhaben zu und her. Damals
war das Haus eine Armenanstalt; allerdings eher so etwas wie ein Gefängnis
als eine soziale Einrichtung. Dies zeigt der Historiker Thomas Huonker,
der für das Jubiläumsbuch die jüngere Geschichte Kappels aufgearbeitet
hat. Gegründet wurde die Armenanstalt 1836 von den Kirchgemeinden rund um
Kappel, die sich zur Gemeinnützigen Gesellschaft zusammengetan hatten. Ab
1879 wurde in der Anstalt im Auftrag des Kantons eine sogenannte
«Korrektionsabteilung» eingerichtet. Hier wurden «arbeitsscheue» Männer und
«liederliche» Frauen amtlich verwahrt. Einige waren Kleinkriminelle, andere
aber auch einfach unangepasst oder gesellschaftlich geächtet wie beispielsweise
die Fahrenden. Diese Menschen mussten Zwangsarbeit leisten und hatten
teilweise kaum genug zu essen.
1925:
Insassen der sogenannten «Korrektionsabteilung» in der
damaligen Armenanstalt Kappel
Kaum zu glauben, dass die Korrektionsabteilung erst 1970 geschlossen wurde
und die letzten Insassen das Heim erst 1980 verliessen. Zu einer Zeit also, als
das zukünftige «Haus der Stille und Besinnung» schon lange beschlossen war
und der Umbau vor der Tür stand.
ZISTERZIENSER
Doch auch die Anfänge der Klostergeschichte lesen sich packend:
Wie Kappel um 1157 als Zisterzienserabtei gegründet wurde und der
Ort später Schauplatz von Kriegen war, so auch des Zweiten Kappelerkriegs
1531, in dem der Zürcher Reformator Zwingli sein Leben verlor. Bereits 1527
hatten die Kappeler Mönche das Kloster der reformierten Stadt Zürich übergeben.
Später diente Kappel als Amtshaus, wie der Historiker Peter Niederhäuser
im Buch darstellt. Zürcher Amtsleute, allesamt Stadtzürcher, residierten in der
ehemaligen Wohnung des Abtes und verwalteten die Klostergüter. Seit dem
Mai dieses Jahres heisst das Bildungshaus der Landeskirche wieder «Kloster
Kappel» – damit schliesst sich der Kreis zu den Anfängen.
SABINE SCHÜPBACH
JUBILÄUMSBUCH:
Thomas Huonker, Peter Niederhäuser:
800 Jahre Kloster Kappel.
Abtei, Armenanstalt, Bildungshaus.
Orell-Füssli-Verlag AG, 2008,
224 Seiten, Fr.49.00.