Thomas
Huonker
A rchiv
Texte
A nderes
www.thata.ch
Inhalt
- Liste aller thata-Seiten
- Histodrom
- Dokumente - Bilder
- Jenische in der Schweiz
- Jenische in Europa
- Roma in der Schweiz
- Sinti und Roma in Europa
- Roma in der Welt
- Der Umgang mit Fahrenden in der Schweiz bis 1798 - Auszüge aus Chroniken
- Fahrende und Bürgerrechte - Zwangseinbürgerung 1851
- Das "Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse" (1926-1975)
- "Rassenhygiene" und "Eugenik" in der Schweiz
- Anstaltseinweisungen, Kindswegnahmen, Eheverbote, Sterilisationen, Kastrationen
- Die schweizerische Zigeunerpolitik zur Zeit des Nationalsozialismus
- Der Sammler, Historiker und Flüchtling Eduard Fuchs (1870-1940)
- Menschenrechte und Minderheitsrechte - Texte von Thomas Huonker - Pressespiegel
- Bilder und Objekte von Thomas Huonker - Ausstellungen - Vita - Publikationen
- Literaturverzeichnis - Service - Animalorama - Sitemap/Index - home

index



links



mail

Thomas Huonker

Ergänzte schriftliche Fassung der
Rede zu den Maturafeiern an der Gestalterischen Berufsmaturitätsschule Zürich (GBMS) vom 12. und 13. Juli 2007

Liebe Anwesende,

es freut mich sehr, hier eine Rede zur Maturafeier 2007 halten zu dürfen. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit der Entlassung eines weiteren Jahrgangs aus den Schulräumen in die weite Welt kurz zur Schönheit und Wichtigkeit der menschlichen Vielfalt äussern.
Es gehört zu den Freiheiten unserer Gesellschaft, Vereine gründen zu dürfen. Der Autor eines meiner vielen Lieblingsbücher, zu deren Lektüre ich Absolventinnen und Absolventen dieser Schule schon überreden konnte, der als Flüchtling in der Schweiz gestorbene Robert Musil, empfiehlt in seinem über tausendseitigen, unvollendeten Werk mit dem Titel 'Der Mann ohne Eigenschaften' all jenen, die ein Anliegen haben, sie sollten doch einen Verein gründen. Ich kann dem nur zustimmen. Gründen auch Sie ihre eigenen Vereine! Bereichern sie die menschliche Vielfalt!
Einer der Vereine, zu deren Gründungsmitgliedern ich zähle, ist die schweizerische Sektion der Gesellschaft für bedrohte Völker (www.gfbv.ch). Sie versucht, unter anderem durch ihre Zeitschrift mit dem Titel ‚Vielfalt', einige der vielen Völker ein wenig zu unterstützen, denen das Existenzrecht und die Freiheit, so zu leben, wie sie es wollen, auf diesem schönen, grossen blauen Planeten oft sehr krass und brutal abgesprochen wird. Dieser Verein hat also eine grosse Zielsetzung, die zwar im neueren Völkerrecht anerkannt ist, jedoch auch heute in vielen Fällen missachtet wird, sei es in Darfur oder in Tschetschenien, bis hin zu Massenmord und Vernichtung. Also bis hin zu jenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die als Völkermorde bezeichnet werden und die seit 1948 von der UNO und im internationalen Recht geächtet sind. Im Jahr 2000 ist übrigens auch die Schweiz dieser Übereinkunft endlich beigetreten. Man muss als Vertreter dieser Zielsetzung immer wieder auf schreckliche Greueltaten hinweisen, welche diesen Wert, den Respekt vor anderen Volksgruppen, auf grausamste missachten und die man eigentlich am liebsten gar nicht genauer kennen lernen möchte. Als Ethnologe, als Völkerkundler, kommt man vor diesem Hintergrund dazu, Bücher zu schreiben wie ,Die traurigen Tropen' von Claude Lévy-Strauss, oder andere traurige Bücher über ausgerottete Völker oder über Völker, deren Ausrottung geplant und nur teilweise durchgeführt wurde, weil sie auf erfolgreichen Widerstand stiess. Wie Sie wissen, habe auch ich traurige Bücher zur mehrfach versuchten Ausrottung der Roma, der Sinti und der Jenischen in Europa und in der Schweiz geschrieben. Man kann diese Thematik aber auch positiv darstellen, indem man die Schönheit der menschlichen Vielfalt zeigt. Denken Sie nur, wie langweilig und öde unsere Welt wäre, wenn alle Menschen dieselben Uniformen oder Anzüge tragen würden und wenn alle dasselbe essen oder glauben würden oder wenn alle Welt die gleiche Musik hören und nach der gleichen Pfeife tanzen würde. Sie können sich das umso besser vorstellen, wenn Sie sich nun einige Bilder ansehen, die von der Vielfalt der Menschheit zeugen. Leider habe ich diese schönen Fotos nicht selbst gemacht. Sie stammen alle aus dem Kalender ‚Lebenszeichen', den die österreichische Sektion unserer Organisation alljährlich herausgibt.
In der Folge zeige ich Ihnen einfach einige dieser Bilder und mache kurze Bemerkungen dazu. Eigentlich sprechen aber die Schönheit und die Vielfalt der Abgebildeten für sich selbst.
Ich beginne, dem Anlass entsprechend, mit einigen Bildern, die zeigen, wie vielfältig beispielsweise Bildung und Erziehung betrieben werden kann.



Lehrer und Schüler im Ladakh (Nordindien / Himalaya)
Hoch im Himalaya, auf kargem Schulmobiliar, beschäftigen sich ein Lehrer und ein Kind mit einem Buch. Der Schüler wird vom fotografierenden Schulbesuch abgelenkt.
(Foto: Tashi Wangail)



Aborigines-Kinder musizieren (Arnhemland / Nordaustralien)
Musikschule mit Klanghölzern und Didgeridoo, in traditionellem body-painting, an einer Jahrtausende alten heiligen Stätte in Nordaustralien.
Wie vielen anderen diskriminerten Volksgruppen nahmen die Vertreter der jeweiligen Mehrheit - oder der herrschenden Minderheit - auch diesem Stamm von Aborigines die Kinder weg. Sie verboten ihnen, ihre Eltern und Verwandten zu besuchen. Sie wurden verprügelt, wenn sie nicht in der Mehrheitssprache redeten. Oft wurden sie in den Anstalten und Internaten Opfer von sexuellem Missbrauch und sadistischer Umerziehungswut. Der angeblich Zweck dieser "Massnahmen": Sie zwangsweise den Normen der herrschenden Gruppe anzupassen - in welchen sie gar nicht vorgesehen waren. Einige Stämme der australischen Ureinwohner, so die Bewohner der Insel Tasmanien, wurden gänzlich ausgerottet.
Foto: Penny Tweedie


Junge Roma musizieren (Rumänien)
Wieder eine Musikschule ohne Lehrperson. Roma lernen oft mehr von ihren Eltern und Verwandten als in den Schulen. Und die Musik der Roma ist bekanntlich nicht von schlechten Eltern. Aber auch diejenigen Roma, welche Schulabschlüsse machen, werden auf dem Arbeitsmarkt oft diskrminiert, weil sie zu dieser ausgegrenzten Minderheit gehören.
Foto: Stephan Siedler


Lehrerin, Schüler und Schülerinnen in Neve Shalom / Wahat al Salaam (Israel)
Ein Pausenplatz, Schülerinnen und Schüler mit ihrer Lehrerin. Fast wie bei uns. Das Spezielle: Es ist eine der wenigen Schulen in Israel, wo jüdische und palästinensische Kinder zusammen lernen und spielen. Eine Szene aus dem Dorf Neve Shalom oder Wahat al Salaam. Dort wohnt auch eine Jüdin aus Zürich, die mit einem Palästinenser verheiratet ist. Die beiden schrieben zusammen ein Buch über ihr gemeinsames Leben, das Mauern von Vorurteilen zu durchbrechen hat.
Foto: Clemens Groh


Maorijunge zelebriert ein Ritual mit dem Muschelhorn (Neuseeland).
Bei uns wäre dieser Junge vielleicht Ministrant in der Kirche, oder er würde mit einer Kuhglocke schellen. Die Maori liegen zur Zeit mit ihren traditionellen Tätowierungen voll im Trend. Auch sie galten den Kolonisatoren als "primitive Wilde" und wurden eines grossen Teiles ihres Landes beraubt.
Foto: Anders Ryman


An einem Hochzeitsfest der Tuareg-Wüstennomaden (Niger)
Die Tuareg haben ihre Kultur an das Leben in der Sahara angepasst. Sie liessen sich von den Kolonisatoren nie vollständig unterwerfen. Nebenbei korrigiert die Fotografie das Klischee von der unterdrückten muslimischen Frau hinter dem Schleier: Bei den Tuareg sind die Männer verschleiert.
Foto: Désirée von Trotha


Säuglingspflege bei den Malabri-Nomaden (Thailand)
Die Angehörigen dieses Stammes sind als Jäger und Sammler von Tieren und Früchten des Urwaldes zusammen mit den Waldgebieten von den Holzschlagfirmen existentiell bedroht. Der profitable Handel mit Tropenholz zerstört die Urwälder irreversibel, der Boden wird weggeschwemmt, es kommt zu Schlammlawinen, und das Klima wird ebenfalls geschädigt. Dafür können wir uns Gartenmöbel aus exotischem Holz kaufen. Es gibt kaum noch hundert Malabri, die in ihrer althergebrachten nomadischen Tradition leben. Zu dieser Tradition gehört, dass die Pflege der Kleinkinder Sache beider Geschlechter ist.
Foto: Patrick Aventurier


Mutter aus dem Rentier-Nomadenstamm der Nenzen mit ihrem Kind im Kinderschlitten (Russland)
Die Nenzen sind ein in Nordrussland, im Deltagebiet des Ob, lebender Stamm mit ähnlichen Kulturelementen wie die Sami in Skandinavien. Die Vergiftung der Flechten, welche die Rentiere fressen, durch atomaren Fall-Out, die Unterbrechung der Rentier-Wanderwege durch Pipelines sowie die Vergiftung weiter Bodenflächen durch die Erdölförderung im Gebiet der Nenzen sind ernste Probleme, ebenso die Übersiedlung des Gebiets durch Russen und Ukrainer. Auch diese Ureinwohner wurden in ihrem eigenen Stammesgebiet zur Minderheit.
Foto: Maria Stenzel


Frau vom Stamm der Ndebele mit ihrem Kind vor ihrem selber bemalten Haus (Zimbabwe)
Die Ndebele, ein Volk von mehreren Millionen, sind in Südafrika wie in Zimbabwe eine Minderheit. Die Kunst der Ndebele-Frauen, ihre Häuser ähnlich wie ihre Textilien mit abstrakten farbigen Mustern in leuchtenden Farben zu schmücken, entstand im 19. Jahrhundert. Der Schmuck aus schweren Metallringen um Hals, Arme und Beine ist eine noch weit ältere Tradition.
Foto: Margaret Courtney-Clarke


Hmong-Mädchen (Vietnam, Laos, Kambodscha, China)
Die Hmong sind eine Minderheit, die über vier Staaten verteilt lebt. In China sind die Minderheiten von der staatlichen Ein-Kind-Regel ausgenommen und dürfen zwei Kinder haben. Dennoch bleibt ihre Bevölkerungszahl marginal gegenüber der chinesischen Mehrheit.
Foto: Jeremy Horner


Kurden und Kurdinnen (Türkei, Iran, Irak, Syrien, Libanon)
Auch die Kurden leben über mehrere Länder verteilt und sind überall in der Minderheit. Im Irak wurden unter Saddam Hussein ganze kurdische Dorfschaften mit Giftgas massakriert. In der Türkei werden ihre Rechte bis heute missachtet. 1994 musste die Kurdin Leyla Zana, wie viele andere kurdische Politiker, für zehn Jahre ins Gefängnis. Sie hatte es 1991 gewagt, als Parlamentsabgeordnete kurdisch zu sprechen. Man stelle sich vor, wir würden den Tessinern, Rätoromanen und Romands verbieten, im Parlament ihre eigene Sprache zu sprechen.
Foto: Felicitas Kruse


Nomadenfrau in West-Tibet holt Wasser aus einer gefrorenen Quelle (Himalaya, Tibet / China)
Die Bewohnerinnnen und Bewohner Tibets, des Dachs der Welt, Quellgebiet einiger der wichtigsten Ströme Asiens, blieben lange abgeschirmt von der übrigen Welt, beherrscht von einer in palastartigen Klöstern residierenden Mönchskaste, die im Betrieb von Gebetsmühlen eine Art industrielle Spiritualität entwickelte und von den Abgaben der breiten Bevölkerung lebte, die in vieler Hinsicht rechtlos war. Als die wieder erstarkte chinesische Zentralregierung 1950 /1951 mit militärischer Gewalt die auf dem Papier schon vorher bestehende chinesische Oberhoheit über Tibet einforderte, floh das eine religiöse Oberhaupt, der Dalai Lama,in der Folge 1959 nach Indien, während der andere religiöse Herrscher, der Pantschen Lama, mit den Chinesen kooperierte. Nun wurde, unter dem Vorwand einer Befreiung der in feudalistischer Abhängigkeit gehaltenen unteren Schichten der Tibeter, eine rigorose Fremdherrschaft installiert, verbunden mit zunehmender Übersiedlung durch Han-Chinesen. Die Härte des Höhenklimas gibt allerdings der daran über Jahrtausende angepassten Wirtschaftsform der Tibeter, insbesondere der nomadischen Hirten von grossen Yak-Herden, immer noch Vorteile gegenüber den Einwanderern aus dem chinesischen Tiefland, die jedoch auf die Unterstützung des Militärs und auf ihr fortgeschrittenes technologisches Know-How zählen können. Wer sich schliesslich durchsetzen wird, steht noch nicht fest. Die Übersiedlung hat noch nicht ein solches Ausmass angenommen, dass die indigenen Tibeter, wie etwa die Indigenen in Nordamerika und in manchen Staaten Südamerikas, auf ein reduziertes Dasein in Reservaten zurückgebunden worden wären.
Foto: Melvin Goldstein


Dankritual einer Maya-Schamanin am Atitlan-See (Guatemala)
Die heutigen Maya in Mexiko und Guatemala sind die Nachfahren der Erbauer der grossen Maya-Städte mit ihren zu Touristen-Attraktionen gewordenen Tempeln in Palenque, Tikal oder Chichén Itzá. Sie leben heute in kleinen Dörfern, oft in landwirtschaftlicher Subsistenzwirtschaft. In Guatemala wurden sie vom Terror durch Militär und Paramilitär wie andere indigene Gruppen schwer betroffen, insbesondere im dreissigjährigen Bürgerkrieg, der bis 1996 dauerte, wobei die Lage vieler Indigener in Guatemala auch heute noch sehr schlecht ist.
Foto: Saola Cavazzana


Ron Hawks, Medizinmann der Lakota (USA)
Die Lakota sind ein Stamm des Volkes, das lange unter der Fremdbezeichnung "Sioux-Indianer" bekannt war. Einer ihrer berühmtesten Anführer war Häuptling Sitting Bull, Sieger der Schlacht am Little Big Horn im Juni 1876. Doch dieser Sieg der Indigenen über die US-Army war nicht von Dauer. Auch dieser Stamm wurde in ein Reservat abgedrängt. Die überlebenden Ureinwohner, noch knapp 250'000, wurden in den USA erst 1924 als Staatsbürger anerkannt, und noch heute sind sie vielfach diskriminiert und demoralisiert. Doch gibt es seit dem Revival der indigenen Völker, das in den 1970er Jahren begann, auch wieder mehr stolze Repräsentanten dieser traditionsreichen Kulturen wie eben zum Beispiel Ron Hawks.
Foto: Christian Heeb


Der Navajo-Heiler Gray Squirrel gestaltet ein rituelles Sandbild (USA)
Die Navajos sind ein grosser Stamm von Ureinwohnern im Südwesten der heutigen USA, die sich seit den 1970er Jahren allmählich vom Schock der Unterwerfung, Vertreibung und Erniedrigung durch die weissen Siedler wieder erholen, mit einem neu aufkeimenden Selbstbewusstsein auf ihre reiche kulturelle Tradition und lange Geschichte zurückblicken und ihre lange missachteten Rechte einfordern.
Ein spezifischer Aspekt der Navajo-Kultur sind die Bilder aus farbigem Sand, die meist geometrisierte Muster und Figuren aus der Mythologie und der Geschichte der Navajos darstellen. Der Navajo-Heiler und Künstler Gray Squirrel wurde während eines viertägigen Rituals fotografiert, das mit der Herstellung eines grossen Sandbildes verbunden ist.
Foto: Ted Spiegel


Heilerin in Zimbabwe
Genau so proper und weiss gewandet wie eine Krankenschwester aus einer Klinik in den reichen Ländern sitzt diese afrikanische Heilerin auf dem nackten Fels. Mit ihren medizinischen und musikalischen Heil-Utensilien ist sie Teil eines sehr kostengünstigen Gesundheitswesens.
Foto: D. Allen


Ritueller Tanz des Schamanen Parman Singh (Nepal / Himalaya)
Nepal ist ein bis 1951 gegen aussen weitgehend abgeschottet gebliebener Staat im Himalaya-Gebiet, der von einer Monarchie regiert wird. Gegenwärtig gehen in Nepal grosse Umwälzungen vor sich. Nachdem der Kronprinz Dipendra am 1. Juni 2001 laut offiziellem Bericht seinen Vater, den König Birendra, und weitere Mitglieder der Königsfamilie erschossen hatte, übernahm Dipendras Onkel Gyanendra, gestützt auf das Militär, die Macht als König. Angesichts einer in vielen Gebieten siegreichen Revolte der von Pushpa Kamal Dahal (* 1954), der sich Prachanda nennt, angeführten Maoisten Nepals sowie nach einem Generalstreik in der Hauptstadt Kathmandu musste König Gyanendra 2006 in einen demokratischen Umgestaltungsprozess einwilligen, dessen Ausgang ungewiss ist, wobei die Maoisten und viele andere politische Kräfte Nepals ein Ende der Monarchie fordern.
Die Schamanen in Nepal sind Heiler, die ihr Wissen oft an Menschen weitergeben, die selbst schwere Krankheiten und Störungen hinter sich haben und die sich so im Verlauf ihrer Heilung ein heilendes Wissen aneignen, das im wahrsten Sinn als Erfahrungsmedizin bezeichnet werden kann. Sie gehören zum Kulturkreis der schamanischen Heiler, die bei vielen Völkern Asiens und Nordamerikas unter anderem mit Heilpflanzen, Trommeln und schamanistischen Trancetänzen arbeiten. Die westliche Medizin und Wissenschaft kann ihre in vielen Fällen unbestreitbaren Erfolge nicht stringent erklären.
Foto: Dagmar Eigner


Maskentanz der Yoruba in Nigeria
Nigeria ist einer der vielen Staaten Afrikas, deren Grenzen auf den Reissbrettern der kolonialen Machtzentren gezogen wurden. Erbitterte Kämpfe zwischen ethnisch und religiös unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen waren die Folge, so der Biafrakrieg, der in eine Unterdrückung der Ibo mündete, sowie Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft zwischen den grossen Stämmen des Nordens, etwa der Haussa, und des Südens, unter anderem der Yoruba. Gnadenlos wurden die Lebensinteressen einzelner Stämme, etwa der Ogoni im Niger-Delta, korrupten Kooperationen der Regierungscliquen mit internationalen Ölgesellschaften geopfert. Ein Sprecher der Ogoni, der Schriftsteller Ken Saro-Wiwo, wurde am 10. November 1995, zusammen mit weniger bekannten Mitkämpfern, nach einer Justizfarce zum Tod verurteilt und hingerichtet. Lange Jahre regierten Militärdiktatoren das Land, so von 1993 bis 1998 der Diktator Sani Abacha, der rund 800 Millionen Franken auf seine Schweizer Bankkonten transferierte, während die breite Masse der Bevölkerung aller Stämme Nigerias vom Erlös aus dem Ölgeschäft kaum Nutzen ziehen konnte.
Nigeria ist, wie auch andere Regionen Afrikas, die Heimat vieler Gruppen, deren Kunsthandwerk, insbesondere auch in der Gestaltung von Masken, beeindruckende Schöpfungen hervorbrachte. Diese hat auch europäische Künstler wie Pablo Picasso stark beeinflusst. Gottheiten aus der religiösen Welt der Yoruba fanden über Kulte wie Voodoo und Candomblé weite Verbreitung in Nord- und Südamerika, wohin, wie Millionen andere Afrikaner, auch zahlreiche Yoruba grausam und Gewinn bringend als Sklaven verkauft wurden. Ebenso wie der heutige Kapital- und Rohstoffexport aus Afrika in die reichen Metropolen schwächte dieser über Jahrhunderte betriebene Menschenraub Afrikas Gedeihen.
Foto: Carol Beckwith und Angela Fisher


Tanz von Korjakinnen auf der Halbinsel Kamtschatka (Russland)
Die Korjaken sind ein Stamm von etwa 8000 Menschen im autonomen Kreis der Korjaken auf Kamtschatka. Sie stellten im 20. Jahrhundert vom Walfang auf die Rentierzucht um. Kamtschatka war lange militärisches Sperrgebiet. Die Ureinwohner, neben den Korjaken auch gibt es auch andere Stämme, stehen heute einer Mehrheit von über 90 Prozent eingewanderter Russen gegenüber. Weite Teile Kamtschatkas sind Naturparks, das Vulkangebiet ist auch als UNESCO-Welterbe geschützt.
Foto: Kevin Schafer und Peter Arnold


Ritueller Tanz der Mentawaianer auf der Insel Siberut (Sumatra / Indonesien)
Die rund 20'000 Mentawaianer lebten auf der 4500 Quadratkilometer grossen Insel Siberut im Einklang mit der Natur, bis die indonesische Regierung 1970 die gesamte Waldfläche der Insel abholzen lassen wollte. Ein Ethnologe und Aktivist, der Holländer Reimar Schefold, half den Einwohnern, diesen Plan zu durchkreuzen, der einigen wenigen Regierungsbeamten sehr viel Geld in die Tasche gespült hätte. Folgender Kompromiss kam zustande: Ein Drittel der Insel wurde Naturschutzgebiet, mit Jagd- und Fischverbot auch für die Mentawaianer, ein Drittel von Urwald und Küste verblieb den traditionell lebenden Indigenen, ein Drittel der Insel wurde abgeholzt und für Landwirtschaft, Tourismus etc. erschlossen.
Foto: Eric Lobo


Junge Männer aus dem Volk der Bhil tanzen den Frühlingstanz um das Holi-Feuer (Indien, Narmada-Region)
Adivasi ist eine Sammelbezeichnung für alle jene Völker in Indien, welche teilweise schon viel länger als die eingewanderten Arier auf dem Subkontinent leben, den Hindu als unrein gelten, andere Religionen haben und in Randregionen abgedrängt wurden. Zu ihnen gehört auch das Volk der Bhil, immerhin etwa acht Millionen Menschen. Die Zentralregierung in Delhi plant die Stauung des ganzen Narmada-Flusslaufs durch 30 grosse Dämme. Mit Hilfe der Nobelpreisträgerin Arundhati Roy konnten die Anwohner diesen Plan zumindest verzögern. Zu Beginn dieses Jahres (2007) wurde jedoch der grösste der geplanten Dämme fertiggestellt, der den heiligen Fluss auf einer Länge von 200 Kilometern staut und auch diesen Tanzplatz unter Wasser setzt.
Foto: Rainer Hörig


Der Maler Simon Badari vom Wardjak-Clan mit einem seiner Bilder (Arnhemland / Australien)
Im tropischen Norden Australiens blieben die Ureinwohner lange relativ unbehelligt, während sie im Süden dezimiert, vertrieben und auf der Insel Tasmanien gänzlich ausgerottet wurden, um Platz zu schaffen für die Wirtschaftsweise der weissen Neuankömmlinge. Bis 1999 vertraten Engländer und weisse Australier die Meinung, der fünfte Kontinent sei vor ihrer Ankunft ‚terra nullius', Niemandsland, gewesen. Dabei bewohnen die Aborigines ihren Kontinent seit Zehntausenden von Jahren und nicht wie die Weissen erst seit 1788. Die wenigen Rechte und Gebiete, welche die Siedler den Aborigines beliessen oder die sie sich zurück erkämpften, werden auch heute oft wieder in Frage gestellt, vor allem wenn es um den Abbau von Bodenschätzen geht. Simon Badari und viele seiner Verwandten aus dem Familienclan der Wardjak sind talentierte Maler, wobei sie traditionelle Farben und Motive sowie Baumrinde als Malgrund verwenden.
Foto: Penny Tweedie


Musikerin (an der E-Gitarre) und Musiker in Mauretanien proben einen neuen Song
Die Mittel der modernen Technik finden ihren Weg auch in den Busch. Umgekehrt findet die Musik Afrikas den Weg in die westlichen Hitlisten. Interkultureller Kontakt, der Austausch mit anderen Kulturen, Lebensweisen, Religionen, Musik- und Kunststilen schafft neue kulturelle Ausdrucksformen. Aus Zürich beschallt eine besonders reichhaltige Quelle tropischer Musik die Welt: Radio Tropic, UKW-Frequenz 93,0. Auch im Internet zu hören: www.radio-tropic.ch
Sehr zu empfehlen sind auch seine von Radio France International gestalteten Nachrichtensendungen in den wichtigsten Weltsprachen.
Foto: Gary Cook


Die Designerin Oumou Sy präsentiert eine neue Kreation (Senegal)
Sinn für Schönheit findet sich in allen Kulturen. Es gibt auch keine Hierarchie der Aesthetik. Ob Höhlenmalerei oder Sixtinische Kapelle, ob Laufsteg in Paris oder Hinterhof in Senegal, ob Graffitto oder Louvre, ob jahrtausendealte Überlieferung oder brandneue Kreation: der ästhetische Gehalt bemisst sich nicht nach Rang, Namen, Ort oder Kapital.
Foto: Contrast

Damit bin ich beim Schluss dieses Bilderbogens angelangt, für heute. Es hat mich gefreut, einmal ein Fach zu berücksichtigen, das ich zwar auch studiert habe, das aber an den meisten Schulen viel zu wenig gelehrt wird, nämlich die Völkerkunde oder Ethnologie. Ich hoffe, dass diese Bilder und meine Worte etwas beitragen können zur nötigen Anerkennung und zum geschuldeten Respekt für alle Menschen, die anders sind und anders leben als wir kleinen Völklein hier, wir Aargauer, Zürcher, Appenzeller und Jurassier, in unserer kleinen, aber doch auch recht vielfältigen Schweiz. Ich meine damit ausdrücklich auch jene, die nicht nur in fernen Ferienparadiesen, sondern auch hier, in Zürich, neben und mit uns, so leben wollen, wie es ihrer Tradition, ihrem Glauben und der menschlichen Vielfalt entspricht. Es tut dem Ureigenen gut zu wissen, dass es auch sehr viel ganz Anderes geben kann, gibt und geben muss. Wenn es uns gelingt, diese Vielfalt in unserem Quartier, in unserem Dorf, in unserem Land, auf unserem Planeten zu erhalten, und sie wo immer möglich auch weiterhin mit neuen kulturellen Kreationen noch zu bereichern, dann sind wir auch offen für jene Dimension, um deretwillen ich Filme wie "Star Wars" oder "Raumschiff Enterprise" schätze, die ja auch nicht zum üblichen Lernstoff gehören. Ich meine damit die Einsicht, dass wir Menschen, einmal abgesehen von unseren auch nicht ganz unintelligenten und ebenfalls sehr vielfältigen pflanzlichen und tierischen irdischen Mitbewohnern, wohl kaum die einzige ihrer Existenz und Geschichte bewusste Lebensform sind, die das weite Weltall bevölkert.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen viel Spass als Teil der Vielfalt in der grossen weiten Welt.


thata site
by
www.thata.net