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RETO FLURY

Kloster, Amtssitz und Korrektionsanstalt

800-jährig ist das Kloster Kappel. Ein Buch erzählt von Mönchen, Vögten und dem kargen Leben der Insassen in der Armenanstalt.


Kappel am Albis – Im Sommer 1940 hat der Schlosser Heinrich F. genug. Er greift zur Feder und beschwert sich beim damaligen Regierungsrat Jakob Kägi (SP) über das Leben in der Armenanstalt Kappel. Er erzählt von Männern, die über 70-jährig sind und täglich bis zu acht Stunden in der Teppichflechterei schuften müssen, und von Aufsehern, die müde Heiminsassen anbrüllen. Die Leute bekämen kein Taschengeld und nur «fett- und kraftloses» Essen serviert, schreibt er. Doch der Hilferuf an den «geschätzten Genossen» Kägi verhallt. Heinrich F. wird wenig später in die Klinik Rheinau versetzt – wegen «Hetzerei».


Wo Behörden «versorgten»

Das Leben hinter den Kappeler Mauern war seit jeher karg. Speziell gilt das für das 19. und 20. Jahrhundert. In den 1830er-Jahren kaufte die Gemeinnützige Gesellschaft das Kloster für die 13 Kirchgemeinden des Bezirks Affoltern und gründete eine Armenanstalt mit Waisenhaus. 1876 kam eine Korrektionsanstalt für «Detinierte» hinzu, Personen, die von den Behörden «versorgt» wurden, wie zum Beispiel Alkoholiker, ledige Mütter, Kleinkriminelle oder Fahrende. «Arbeitsscheue und liederliche Personen», wie sie im zeitgenössischen Jargon hiessen.


«Ein Leben wie Hunde»: 1923 war das Kloster Kappel noch Korrektionsanstalt für «Detinierte».

Bilder: Familie Hofmann/Vreni Halder


Das Anstaltsleben barg Zündstoff. Immer wieder wurden Klagen laut wegen schlechten Essens, der strengen Hausordnung, betrunkenen Personals und Prügelstrafen, die erst 1927 verboten wurden. «Man hat dort ein Leben wie Hunde», sagte ein Verwahrter aus Glarus zu Hause zur Polizei. Die Anstaltsleitung griff meist durch, seltener gab sie nach. Ab 1945 zum Beispiel gab es Taschengeld für die Bewohner.

Erst 1980 aber wurde die Anstalt definitiv geschlossen und das Haus umgenutzt. Nicht zum ersten Mal in seiner Geschichte, wie sich seit Kurzem bei den Historikern Thomas Huonker und Peter Niederhäuser nachlesen lässt. Ihr vom Verein Kappelerhof herausgegebenes Buch schildert unterhaltsam und mit vielen Bildern die Geschichte des Klosters.


Zurück zum alten Namen

Gegründet worden war das Zisterzienserkloster Ende des 12. Jahrhunderts von den Freiherren von Eschen­bach. Der Konvent war klein und unbedeutend. Im 14. Jahrhundert schlitterten die Mönche zusehends in die Krise. 1527 musste der letzte Abt das Kloster der Stadt Zürich übergeben, vier Jahre später verlor Reformator Zwingli im Zweiten Kappelerkrieg sein Leben. Bis zum Ende des Ancien Régimes 1798 diente der Komplex als Zürcher Amtssitz im Säuliamt. Nachdem die Anstalt geschlossen worden war, eröffnete die Refomierte Landeskirche 1983 das Haus der Stille und Besinnung. Doch der Betrieb vermochte nie vollends zu befriedigen. Letztes Jahr wurde es darum zu einem Bildungshaus mit Seminarhotel umgemodelt und auf einen neu-alten Namen getauft: «Kloster Kappel».


Huonker, Thomas, Niederhäuser, Peter.

800 Jahre Kloster Kappel: Abtei, Armenanstalt, Bildungs­haus.

Zürich, Orell Füssli 2008, 49 Franken.



(Buchbesprechung aus: Der Landbote, 2. März 2009)